Ein tolles Thema behandelt dieses Buch: Wie kann eine Ehe auf Jahrzehnte hin beglückend bleiben? Wie können sich Paare vor Gewöhnung und Langeweile – auch im Bett – schützen? Dazu gibt das österreichische Berater-Ehepaar Michael und Margot Schmitz – er Psychologe, sie Fachärztin für Psychiatrie – eine Fülle von praktischen Tipps. Schonungslos beschreiben sie anhand von Fallbeispielen, wie Missverständnisse und Ödnis in die Langzeitbeziehung einziehen. Sie zeigen aber auch erfolgversprechende Wege, wie man diese Probleme abschwächen oder sogar lösen kann.
Der Beziehungscheck
Eine gute Anregung ist beispielsweise der Beziehungscheck (S. 33). Beide Partner listen für sich auf, was sie für wesentlich für eine gute Beziehung halten (Vertrauen, Sex, Einkommen, Kinder, Selbstständigkeit, etc.). Dann bewertet jeder die einzelnen Rubriken auf einer Skala von -5 (ist bei uns total schlecht) bis +5 (ist bei uns total gut). Danach vergleichen sie ihre Noten. Abweichungen geben Stoff für spannende Gespräche und Anhaltspunkte, wie man die Beziehung verbessern kann.
Sehr schön sind auch die Kommunikationsregeln (S. 100), die einen Dialog erst fruchtbar machen, anstatt ihn zu verhindern. Und das letzte Kapitel über Sex in der Langzeitbeziehung zeigt – in unverblümter Sprache -, wie die körperliche Liebe auch nach 30 noch ein Knistern auslösen kann. Gute Fragen und gute Ideen machen aus diesem Buch eine Fundgrube für Wege, wie sich die eigene (Langzeit-)Beziehung verbessern lässt.
Gutes Lügen?
Leider wird dieses rühmliche Anliegen durch die unrühmlichen Kapitel zum Thema „Affären“ stark torpediert. Wissenschaftlich gesprochen: Die Autoren folgen der „normativen Kraft des Faktischen“. In anderen Worten: Weil Seitensprünge statistisch so häufig vorkommen, reicht es nicht, sie zu verurteilen – sondern man sollte konstruktiv mit ihnen umgehen. So denkt zwar heute die große Mehrheit der Psychologen. Die große Mehrheit der Nicht-Psychologen sieht das allerdings völlig anders. Untreue ist nach wie vor der häufigste Anlass für Trennung und Scheidung. Dass das Ehepaar Schmitz ein Unterkapitel unter die Überschrift „Gut lügen können – eine Beziehungskompetenz“ stellt, ist symptomatisch für diese irrige Auffassung. Sie vermitteln sogar „Regeln für gutes Lügen“ – wo doch jeder Ehepartner weiß, dass er nicht angelogen werden will.
Neuanfang ist möglich
Recht haben sie allerdings mit der Aussage, dass ein Seitensprung nicht das Ende einer Ehe bedeuten muss. Wo Vergebung möglich ist und die Bereitschaft, sich neu aufeinander einzulassen, da kann aus dieser schweren Krise tatsächlich wieder etwas Gutes oder sogar Besseres entstehen.
So hinterlässt das Buch einen zwiespältigen Eindruck. In seinem Bemühen, Frauen und Männern Lust auf eine erfüllende Ehe bis ins Alter zu machen, bietet es vorzügliche Ideen und Anregungen. In seiner indirekten Rechtfertigung von Seitensprüngen führt es auf gefährliche Pfade, ja zum Spiel mit einem Feuer, das fast immer Schwerverletzte zurücklässt. Wer das berücksichtigt, kann einigen Gewinn aus der Schrift der beiden Psychologen ziehen.
Margot und Michael Schmitz: Liebe, Lust und Ehebett. 256 Seiten, 22 Euro. Orac-Verlag (Wien) 2015.