Dass Sex in langen Ehejahren langweilig wird, ist ein eifrig gehüteter Mythos, der sich hartnäckig hält, obwohl er längst wissenschaftlich widerlegt ist. So wie ein Lieblingsessen meist lebenslang unser Lieblingsessen bleibt (es sei denn, etwas hat uns kolossal den Appetit verdorben), so bleibt Sex lebenslang schön und interessant. Ich erinnere mich an einen Besuch in Malawi, wo die einheimischen Frauen es nicht fassen konnten, dass man allen Ernstes etwas anderes zum Essen lieber mögen kann als jeden Tag ihren wundervollen Nsima. Das ist ein (aus europäischer Sicht) schlichter, pappiger Maisbrei. Wir sind uns sicher: Täglich Sex wäre auf jeden Fall spannender als täglich Nsima.
Sex = Glücksfaktor
Trotzdem ist es gut, wenn wir es uns im Ehebett nicht allzu bequem machen. Wir haben es nämlich selber in der Hand, ob es uns langweilig wird. Zahlen zur Frequenz der Sexualakte zu nennen, empfinden wir insgesamt als schwierig, da jedes Paar so anders ist und die Bedürfnisse so verschieden.
Eine aus dem Jahr 2015 nennen wir doch: Amy Muise aus Toronto hat mit ihren Kollegen 30.000 Menschen befragt und dabei herausgefunden: Je häufiger sie Sex haben, desto glücklicher fühlen sich die Befragten in ihrer Partnerschaft. Das gilt bis zu einer Frequenz von einmal wöchentlich. Mehr als einmal pro Woche führte dann zu keiner weiteren Steigerung, was natürlich kein Argument dagegen sein muss.
In Übung bleiben
Für uns ist diese Studie ein weiterer Beleg dafür, dass Paare sich den Sex nicht abgewöhnen sollten. Paare, die nur noch wie Brüderchen und Schwesterchen zusammenleben, bringen sich möglicherweise um eine wichtige Quelle von Zufriedenheit und Glück. Mit der Sexualität ist es wie mit einem Muskel: wenn der nicht regelmäßig trainiert wird, erschlafft er. Lust kann erlahmen, wenn sie nicht regelmäßig erfahren wird.
Als angenehm empfinden viele Paare eine Mischung aus alltäglichem Bindungssex und den herausstechenden besonderen Begegnungen zwischendurch. Der Alltasgssex darf auch mal schneller gehen, kann unspektakulär sein, versichert aber beide Partner der Nähe des andern. Allerdings wäre ausschließlich Alltags-Sex genauso langweilig wie tägliche Instant-Gerichte zum Essen. Es nährt, vermittelt aber kaum Glücksgefühle.
Konzentration lernen
Für die besonderen Begegnungen sollte ein Ehepaar sich deshalb Zeit nehmen und es sich besonders schön machen. Dabei passiert viel im Kopf. Wir können unser Erleben mit beeinflussen, indem wir unsere Gedanken ganz darauf konzentrieren. Für Frauen ist das meist eine größere Herausforderung. Eine Frau kann auch mal mitten im Vorspiel herausplatzen: „Oh Mist, jetzt habe ich vergessen, das Brot für morgen früh aus der Gefriertruhe zu holen.“
Mit etwas Übung kann es aber jede lernen, beim Sex mehr bei der Sache zu sein. Konzentration auf das, was im Augenblick passiert, ganz bei sich und ganz beim anderen sein – das ist das Geheimnis. Gerade für die Frau ist es dabei hilfreich, wenn sie ihren Körper kennt und sich erlaubt, sich zumindest phasenweise ganz auf ihr Empfinden zu konzentrieren. Vor lauter Fixierung darauf, dass es dem Partner gut geht, kommt das manchmal zu kurz. Der Partner kann seiner Frau helfen, indem er sie zum Beispiel gezielt dazu einlädt: „Jetzt bist du dran. Lass dich einfach verwöhnen.“
Mehr dazu in unserem Buch “Das Emma-Prinzip”.
Opa Erwin hat als Pastor im Ruhestand noch mit Kandidaten zu tun, um sie bei der Ehevorbereitung zu begleiten. Da schreibe ich in meinem Dokument „Verlobung- welch hoher Wert“ u. a.:
Je häufiger man etwas erinnert, desto besser kann das Gehirn die ursprüngliche Erfahrung verfeinern. Denn Erinnerung ist Neu-Erschaffung, keine Wiederholung (David Mazzucchelli, „Asterios Polyp“, 2009, o.S.).
Als die Jünger einmal die Aussagen von Jesus über die Ehefähigkeit sehr problematisch fanden und schlussfolgernd die Meinung äußerten, dass wohl die Ehelosigkeit eine praktikable Lösung für sie sei, fügte Jesus eine weitere problematische Bemerkung hinzu: Wer es fassen kann, der fasse es! (Mat 19,12). Das könnte heißen: Wer die geschlechtliche Enthaltsamkeit fassen kann, soll damit zufrieden sein. Und wer sie nicht in den Griff bekommt, soll sich deshalb kein schlechtes Gewissen machen lassen und die Geschlechterliebe eine vortreffliche Tugend nennen. Phil 4,8: Was es an Tugend und löblichen Dingen gibt, darauf richtet euren Sinn (Pattloch). Im Grundtext steht dafür das Wort „logizomai“, was Luther mit „bedenken“ übersetzt hat.