Vier Dinge, die Du aus Deiner Kindheit in die Ehe schleppst

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Deine Eltern sind immer anwesend. Am Mittagstisch, beim Sonntagsausflug, im Ehebett. Selbst wenn sie schon gestorben sind, sind sie noch da. Denn unsere Kindheit beeinflusst uns gravierender, als uns das bewusst ist. Was wir in unserer Familie an Verhaltensweisen gesehen und erlebt haben, ist unser „Normal“. Bewusst oder unbewusst bleiben unsere Eltern die Vorbilder, an denen wir uns orientiert und die  unser Weltbild geprägt haben. „Lernen am Modell“ nennt das die Verhaltenspsychologie.

Als Ehepaare beobachten wir das in mindestens vier Bereichen:

1. Normal ist, was man kennt

Kennst du Spleens Deiner Eltern, die Du heute auch bei Dir entdeckst? Wie war ihr Umgangston miteinander? Freundlich, sachlich, barsch? Gab es eine geregelte Tagesstruktur? War es normal, dass es Pausen gab, oder war immer High Life? Wie viel Fernsehkonsum gab es, womit wurde der Großteil der Zeit verbracht? Gab es feste Familienzeiten, Urlaube und Ausflüge? Welche Rolle spielten Essen und Tischkultur? Was für Freiräume hatten deine Eltern für sich persönlich? Pflegten sie Hobbys und Freundschaften? Wie war ihre Beziehung zu Kirche und Glaubensfragen? Welchen Umgang hatten sie mit Alkohol und Drogen? Welche Einstellung hatten sie zum Geld?

Lass vor Deinem inneren Auge nochmal ein paar Szenen aus Deinem Familienleben Revue passieren. So kannst Du einen Eindruck davon bekommen, was Deine Vorstellung von „normalem Familienleben“ geprägt hat.

Überraschung: Wahrscheinlich war bei Deinem Partner vieles anders. So, und wer bestimmt jetzt, was besser war? Entscheidet gemeinsam, was Ihr übernehmen wollt und wo Ihr etwas anders machen wollt. Wo es Euch schwerfällt, einen gemeinsamen Nenner zu finden, kann Euch der Blick auf Eure Herkunft dennoch helfen, einander besser zu verstehen. Und möglicherweise könnt Ihr einander sogar mit unterschiedlichen Ansichten stehen lassen.

2. Die Kuschel-Skala

Die Art, wie eng Beziehungen in der Herkunftsfamilie gelebt werden, gehört zu den Dingen, die wir in der Regel nicht infrage stellen. Uns sind Menschen begegnet, die sagen, ihnen falle körperliche Nähe extrem schwer. Umarmungen, Zärtlichkeiten, Kuscheln – das gehörte überhaupt nicht zum Repertoire der Herkunftsfamilie. Andere beschreiben, wie in ihrer Familie alles gemeinsam gemacht wurde: der Wocheneinkauf, der (oft langweilige) Sonntagsspaziergang, der Gottesdienst und jeder Familiengeburtstag – es gab für den Einzelnen kein Entrinnen.

Die einen erlebten ein warmherziges verliebtes, zärtliches Elternpaar. Andere können sich bis heute nicht vorstellen, dass ihre so kühl und distanziert wirkenden Eltern jemals Sex miteinander hatten. Wie hat man bei Euch Gefühle gezeigt? Auf der Kuschel-Skala von 1 bis 10 – wo würdet Ihr als Paar Eure jeweilige Herkunftsfamilie einordnen?

Falls Ihr, wie so viele, unterschiedliche Prägungen habt, könnt Ihr einander ergänzen: Gemeinsam könnt Ihr die gute Balance finden zwischen liebevoller Verbindlichkeit und großzügiger Weite, die dem anderen ausreichend Raum zur eigenen Entfaltung lässt.

3. Gesetz und Freiheit

Sehr unterschiedlich ist der Umgang mit Regeln. In manchen Häusern wird strikt kontrolliert, ob sich jeder an die getroffenen Absprachen hält, ob Aufgaben korrekt und fristgerecht erfüllt und die Familiengesetze brav befolgt werden. Andere sehen das lockerer und können eher mal ein Auge zudrücken, wenn es nicht so läuft, wie geplant. Manchmal ist das auch der elterlichen Schwäche geschuldet, weil sie nicht die Energie haben, ihre eigenen Ansprüche durchzusetzen.

Was ist bei diesem Punkt „richtig“? Das müsst Ihr als Paar miteinander aushandeln. Passt auf, dass Ihr dem anderen nicht Druck macht, indem Ihr ihn permanent kontrolliert oder Euren Partner mit Eurem Freiheitsdenken und erlernter Unverbindlichkeit überfordert.

4. Werte und Glaube

Niemand sieht deutlicher, ob Eltern das, wofür sie einstehen, auch selber leben, als die eigenen Kinder. Waren Deine Eltern authentisch in ihren Werten? Wofür brannten sie? Worüber wurde viel geredet? Welche Sätze oft wiederholt? War Arbeit und Leistung wichtig, Bildung das höchste Gut? War Ehrlichkeit groß geschrieben oder eher eine Mentalität des Augen-Zudrückens? Welchen Wert hatte Materielles, und wie wichtig war der Zusammenhalt in der Familie und mit Freunden?

Prüft die Werte Eurer Eltern, übernehmt bewusst das für Euch Gute und distanziert Euch entschieden von den Idealen, die Ihr selber nicht priorisieren wollt. Schreibt Euer eigenes Mission-Statement. Vielleicht habt Ihr sogar Freude daran, das als Plakat in Eure Wohnung zu hängen?

Kindheit verstehen, besser reagieren

Bestimmt hast Du gemerkt: Der Blick auf Deine Kindheit kann Dir helfen, Dich selbst besser zu verstehen und in Konfliktsituationen, auch mit Deiner Frau oder Deinem Mann, angemessener zu reagieren. Eine klare Loslösung vom Elternhaus (ohne das Gute daraus zu verwerfen) ist ohnehin nötig, wie wir hier erläutert haben. Über Werte, Prägungen und Überzeugungen gemeinsam nachzudenken, trägt wesentlich zu mehr Glück und zu mehr Tiefe in Eurer Beziehung bei. Wenn Ihr dazu weitere Tipps sucht, empfehlen wir Euch unseren Beitrag „Liebe mit Tiefgang – eine Anleitung„.

Welche Bereiche siehst Du noch, in denen wir die Erfahrungen unseres Elternhauses in unsere Beziehung hineintragen?

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